Die Macht der Gedanken
Oft ziehen mich meine Gedanken erst richtig ins Loch. Über das, was mich ärgert, worüber ich enttäuscht bin, erzähle ich mir selber eine Geschichte. Meist ist es eine Geschichte, in der ich das Opfer bin oder mir ein Unrecht geschehen ist. Was andere sich anmaßen, mir zumuten!
Eine tägliche Herausforderung.
Mir selber auf die Schliche zu kommen, was meine Emotionen sind und wo ich mir eine Geschichte erzähle, ist jeden Tag eine Herausforderung. Wie kann ich entdecken, dass ich mir (und anderen) eine Story erzähle?
Indem ich mir selber die Fragen stelle: Ist das wahr, was ich mir erzähle? Ist das wirklich die Wahrheit? Die Fragen wirken nicht immer sofort. Ist mein Blutdruck erst einmal in Wallung gekommen, komme ich da nicht so rational durch.
Die Energie dahinter
Aus innerer Aufruhr über etwas ziehen wir oft eine Art Energie. Wenn ich meine Geschichte mit anderen teile, erlebe ich Anteilnahme. Regen sich andere Menschen über ähnliche Themen auf, erlebe ich Verbundenheit und Gemeinschaft.
Zugehörigkeit und Gemeinschaft zu erleben, ist ein wichtiges Bedürfnis. Ohne dies sind wir Menschen nicht in der Lage, zu leben. Viele Menschen suchen die Verbundenheit vor allem im Negativen. Sie verbünden sich mit Menschen, die auch “dagegen” sind. In Szenarien von „wir“ gegen die „anderen” suchen sie Bestätigung und Zugehörigkeit.
Was wirklich verbindet
Scheinbar haben wir verlernt, auf das Verbindende zwischen uns und anderen zu achten. Wir fokussieren oft auf das Trennende. Weil wir so das wichtige Gefühl der Zugehörigkeit nicht oft genug erleben, suchen wir Gleichgesinnte, die sich über das Gleiche aufregen wie wir.
Wie wäre es stattdessen, wenn wir uns auf das konzentrieren, was uns wirklich verbindet? Wir sind nicht darin verbunden, gegen was wir sind, sondern wer wir sind.
Auf was richtest du deinen Blick?
Unterschiedliche Meinungen, verschiedene Einschätzungen einer Situation, ein Verhalten, das nicht zu unseren Werten und Erwartungen passt, wirken nur dann trennend, wenn wir uns darauf konzentrieren. Lenken wir unseren Blick jedoch auf das, bei dem wir gleich sind, verändert sich die Situation.
Ich überlege mir in Situationen, in denen ich mich über jemanden ärgere, was könnte ein Grund sein, dass das Verhalten für die Person Sinn macht. Jemand, der mir einen Parkplatz wegnimmt, hat es vielleicht sehr eilig, weil er spät dran ist für etwas, das ihm sehr wichtig ist.
Der Trick
Was passiert, wenn ich mir so eine Frage stelle? Ich sehe den Menschen im Anderen. Ich nehme einen Menschen wahr, der Gründe hat, für das, was er sagt oder tut. Und der Grund ist nicht, dass er mich ärgern oder verletzen will. Auch wenn ich die wahren Gründe oft nicht weiß, helfen mir Gedanken dieser Art ins Verständnis und Wohlwollen zu kommen.
Und wenn ich einen Menschen sehe, der einen guten Grund hat, etwas so zu tun, dann brauche ich mir keine negative Geschichte mehr zu erzählen.
Welche Geschichte erzählst du dir?
Sei jetzt einmal ganz ehrlich zu dir: Kennst auch diese Situationen, in denen du dir eine Geschichte erzählst? Und ist diese Geschichte dann ein Drama mit dir in der (leidenden) Hauptrolle oder ist es eine Heldengeschichte, in der du großzügig den Parkplatz dem Menschen überlässt, der seiner schwangeren Freundin noch schnell saure Gurken holt?